Die aktuelle Debatte um die Behebung des Fachkräftemangels und diesbezüglich die Bedeutung der Erzieher*innenausbildung, wird in den letzten Jahren von diversen Protagonisten in Politik, Medien und Verbänden geführt. So ist es generell zu begrüßen, dass sich auch die Gewerkschaft ver.di aus ihrer Sicht an diesem Diskurs beteiligt.
Personalnot in den Einrichtungen darf nicht zu Lasten der Qualität der Arbeit gehen
Einige Ziele von ver.di können aus Sicht der Fachschulen für Sozialpädagogik geteilt werden. Auch wir sehen im momentanen Bestreben von Trägervertretern und Landespolitikern, möglichst schnell den Mangel an Personal in Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen zu beheben, die große Gefahr der Deklassierung des Berufes der Erzieher*innen. Eine Verkürzung der Ausbildung, wie z.B. zu einer „Fachkraft Kita“, die auf ein spezifisches Praxisfeld zugeschnitten wird, ist auch aus unserer Sicht keine Lösung zur Deckung des Fachkräftemangels. Durch sie würde die Qualität der Arbeit und die Attraktivität der Arbeitsbedingungen für bereits vorhandene pädagogische Fachkräfte in den entsprechenden Berufsfeldern erheblich sinken. Die Begleitung der Bildungsprozesse von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfordert hohe theoriebasierte, reflexive Fähigkeiten, weshalb die Erzieher*innen-Ausbildung auf DQR6 richtig angesiedelt ist und bleiben muss. Hierin stimmen wir mit der Position von ver.di überein.
Pädagogisches Handeln ist kein Handwerk, sondern ein theoriegeleitetes, reflexives Handeln
Um die notwendigen Fähigkeiten zu erlernen, bedarf es des Erwerbs von personalen Kompetenzen und theoriegeleiteten Reflexionswissens, unterlegt mit praktisch- methodischen Fertigkeiten. Es ist diese Trias, die in Niedersachsen in den kompetenzorientierten, modularen Rahmenrichtlinien der Ausbildung zum*r Erzieher*in und zum*r Sozialpädagogische*n Assistent*in bereits implementiert wurde. Von einem strukturellen Mangel kann daher nicht die Rede sein. Zur Ausbildung von eben genannten Kompetenzen und der Aneignung theoriegeleiteten Reflexionswissens, bedarf es eines pädagogischen Moratoriums, das nicht durch Handlungszwänge, Arbeitsverträge und finanzieller Abhängigkeit, wie sie eine duale Ausbildung mit sich bringen würde, belastet ist. Wer Heranwachsende als Erzieher*in auf ihrem Bildungsweg begleiten und unterstützen will, sollte Bildung im Rahmen der eigenen Ausbildung als Eigenwert erleben können. Pädagogisches Handeln ist kein Handwerk, bei dem es überwiegend auf den Erwerb bestimmter anwendungsorientierter Techniken und deren Erprobung ankommt, sondern es besteht zu wesentlichen Teilen aus der reflexiven Auseinandersetzung mit der eigenen Person, den eigenen ethischen Haltungen und Einstellungen gegenüber den
anvertrauten Menschen und der Gesellschaft. Die von ver.di vorgeschlagene Verschiebung des Verhältnisses von berufspraktischer und fachtheoretischer Ausbildung zu Lasten letzterer, dient aus pädagogisch fachlicher Perspektive nicht einer Qualitätssteigerung der kompetenzorientierten Ausbildung, sondern lediglich der Attraktivitätssteigerung der strukturellen Ausbildungsbedingungen für zukünftige Träger in einer dualen Ausbildungsstruktur und für die Schüler*innen.
Dass Arbeitgeber, die unter aktueller Personalnot leiden, über Inhalte, Länge der Ausbildung und Zugangsvoraussetzungen entscheiden sollen, macht den Wolf zum Schäfer. Profession und Disziplin bedingen sich gegenseitig. Professionalität zeichnet sich durch das Zusammenspiel beider aus!
Qualifizierung der Ausbildenden in der berufspraktischen Ausbildung und Kooperation mit den Lehrkräften
Ver.di kann dahingehend zugestimmt werden, dass eine Zusammenarbeit der Lehrkräfte an den Fachschulen und der Anleiter*innen am Lernort Praxis dringend geboten ist. Erste Schritte in diese Richtung sind in Niedersachsen bereits gemacht und sollten vertieft werden. Dazu bedarf es jedoch keiner Unterordnung der Erzieher*innenausbildung unter das BBiG, sondern der Bereitschaft der Träger, Mitarbeiter für diese Aufgaben zu qualifizieren und zu bezahlen. Eine Reform der Ausbildungsstruktur ändert an dieser notwendigen Bereitschaft nichts.
Die Aufhebung von Zugangsvoraussetzungen untergräbt die Qualität der Ausbildung
Das Bestreben von ver.di, mehr junge Menschen den Zugang zur Erzieher*innenausbildung zu ermöglichen, ist begrüßenswert. Dieses jedoch durch die Auflösung von Zugangsvoraussetzungen erreichen zu wollen, ist nicht mit dem Anspruch des Erhalts der Ausbildungsqualität vereinbar. Nicht umsonst weist ver.di in seinem Beitrag darauf hin, dass eine Verkürzung der Ausbildung generell bei Vorliegen höherer schulischer Vorbildung erfolgen soll. Bildung bleibt Voraussetzung für reflexives, theoriegeleitetes Handeln im pädagogischen Kontext. Ein Mindestmaß an Allgemeinbildung, wie es allgemeinbildende Schulabschlüsse attestieren, ist als standardisierte Zugangsvoraussetzung nicht zu negieren. Auch der Erwerb von allgemeinbildenden Abschlüssen in der Erzieher*innenausbildung ist somit folgerichtig und schafft Weiterbildungsmöglichkeiten.
Der Weg muss anders sein
Als Vorstand der Vertretung der Berufs- und Fachschulen zur Ausbildung von Sozialpädagogischen Assistent*innen und Erzieher*innen, sehen wir durchaus einige gemeinsame Ziele mit ver.di. Allerdings lehnen wir den vorgeschlagenen Weg aus den dargelegten fachlichen Gründen entschieden ab. Auf ihm ist das vorgegebene Ziel des Qualitätserhalts nicht erreichbar, verläuft zu diesem sogar teilweise konträr. Die Vorschläge zur Strukturreform von ver.di offenbaren einerseits ein gewerkschaftsimmanentes Interesse an Einflussnahme auf eine weitere Klientel – den
Schüler*innen der Berufs- und Fachschulen für Sozialpädagogik, andererseits das Bedürfnis, über die Integration der Erzieher*innenausbildung ins BBiG letzteres einer generellen Reform zu unterziehen. Beide Ziele tragen nichts zum qualitativen Erhalt der Ausbildung von Erzieher*innen bei. Hinzu kommt, dass in dem vorgeschlagenen Ausbildungsmodell von ver.di die Ausbildungsverantwortung und -organisation (z.B. von Ausbildungsverbünden, Rotationsverfahren in der berufspraktischen Ausbildung, etc.) bei den Einrichtungen liegen wird. Hier wird es unweigerlich zu Interessenskonflikten zwischen den verschiedenen Einrichtungen, resp. Praxisfeldern kommen und aus fachlicher Sicht besteht die Gefahr einer Engführung der Ausbildung auf ausschließlich das pädagogische Verständnis eines Trägers.
Was aus unserer Sicht dringend geboten ist, haben wir bereits im Sommer 2020 in unserem Appell „Keine Mogelpackung in der Erzieher*innenausbildung“ aufgezeigt.
Der Vorstand der LAGderFSP
(Silvia Haag, Stefanie Kuhlmann, Dr. Gabriele Grieshop, Daniel Vollbrecht, Daniel Müller)